Traumatisierung durch Schule und Gesellschaft?

Die Frage, der ich in diesem Artikel nachgehen möchte ist, ob gegenwärtige Bedingungen in Schule und Gesellschaft unsere Kinder nachhaltig traumatisieren werden. In den Medien erscheinen seit Beginn der Krise wiederholt Berichte, die auf besorgniserregende Zustände in den Kinderpsychiatrien hinweisen. Daher stelle ich mir die Frage, ob es sich vielleicht, auf Grund der krisenbedingten Maßnahmen, um eine systematische Traumatisierung von Typ I handeln könnte. Es gibt Maßnahmen, die meines Erachtens dafürsprechen. Dazu zählen besonders soziale Distanz, Abstandhalten, Maskenpflicht und Desinfizieren.

Was ist ein Trauma?

Laut dem österreichischen Wörterbuch wird unter Trauma eine schwere seelische Erschütterung verstanden. Diese Definition folgt der psychologischen Sichtweise. Die Medizin bezeichnet hingegen eine körperliche Verwundung als Trauma. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet Wunde, allgemeine Verletzung.

Merkmale einer traumatischen Situation.

Traurige und einsame Schülerin auf Treppe. Folgen einer möglichen Traumatisierung durch die Schule.
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  • ohnmächtig sein – nichts tun können
  • Auswegslosigkeit

Dadurch entsteht ein Gefühl extrem bedrohlicher Hilflosigkeit, weil man weder sich noch andere aus der Not zu helfen vermag. Das Urvertrauen wird damit nachhaltig erschüttert und es droht sogar verloren zu gehen.

Es werden zwei Arten von Traumata unterschieden!

  1. Typ-I-Trauma

Diese werden einerseits durch den, auch temporären Verlust von wichtigen Bezugspersonen verursacht. Es kann unter Umständen schon ausreichen, dass ein kleines Kind für kurze Zeit zum Beispiel im Park seine Mutter nicht mehr sieht, oder im Einkaufszentrum verloren geht. Weiter können solche Traumata durch Alltagskränkungen ausgelöst werden. Wie etwa Ausgrenzung oder Mobbing in der Schule und chronisch emotionale Vernachlässigung. Auch Situationen, in denen man längere Zeit Angst hat und keine Hilfe da ist. Das kann der Fall sein, wenn ein Kind sich zum Beispiel unabsichtlich einsperrt. Auch Zahnbehandlungen können unter Umständen eine traumatische Erfahrung für ein Kind darstellen.

  • Typ-II-Trauma

Hier handelt es sich um „klassische“ traumatische Erfahrungen. Dazu zählen lebensbedrohliche Ereignisse, sexueller Missbrauch und Misshandlungen jeglicher Art und Weise.

Umgang mit psychischen Notfällen.

Jeder psychische Notfall muss am besten so schnell wie möglich versorgt werden, ansonsten drohen fatale Folgen. Was bei einem Unfall mit körperlichen Verletzungen selbstverständlich ist, erweist sich bei psychischen Notsituationen als nicht mehr so. Möglicher Weise ist ein Grund dafür darin zu sehen, dass Traumata allgemein von Laien mit einem Typ-II-Trauma in Verbindung gebracht werden. Meiner Wahrnehmung nach ist im öffentlichen Diskurs das Vorhandensein von der Möglichkeit eines Typ-I-Traumas noch viel zu wenig ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen. Deshalb wird Betroffenen nur allzu oft gesagt, sie sollten zum Beispiel nicht so wehleidig sein. Dazu sollte man sich vor Augen halten, dass einer Studie von 2013 zu folge in der Schweiz 53% der Kinder ein Typ-I-Trauma vorzuweisen hatten. Diese Zahl ist nicht nur erschreckend, sondern Besorgnis erregend. Denn auch ein Typ-I-Trauma kann unter schlechten Voraussetzungen zu ernsten psychischen Problemen führen.

Auswirkungen von Nicht-Versorgung.

Das Nicht-Versorgen eines psychischen Notfalls hat erhebliche Auswirkungen auf die Psyche, die soziale und emotionale Entwicklung und nicht zuletzt auf die körperliche Gesundheit.

Kurz- und mittelfristig zeigen sich oft folgende Symptome:

  • Ängste
  • Schlafstörungen
  • Schuld- und Schamgefühle

Langzeitfolgen können sein:

  • Depressionen
  • dissoziative Störungen
  • manche Persönlichkeitsstörungen
  • Angst- und Panikstörungen
  • Suchterkrankungen

Was Sigmund Freud schon Ende des 19. Jahrhunderts wusste.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts erkannte Sigmund Freud die kausale Verknüpfung zwischen Erfahrungen der frühen Kindheit und Symptomen im Erwachsenenalter. Gerade deshalb ist es umso unverständlicher, dass wir am Beginn des 21. Jahrhunderts dies als Gesellschaft immer noch zu wenig zu würdigen wissen. Es ist geradezu erschreckend, wie im Gegensatz zu diesen Erkenntnissen sich die gesellschaftlichen Bedingungen gegenwärtig gestalten. Als Ausrede für dieses skandalöse Vorgehen dient seit mehr als 18 Monaten die Corona-Covid19-Krise. Die Frage, die sich für mich stellt ist, ob diese Pandemie wirklich Rechtfertigung genug ist zu riskieren, dass wir eine Generation von psychisch Kranken haben werden.

Mögliche Auswirkungen der Maßnahmen.

Führt man sich die Symptome eines Typ-I-Traumas nochmals vor Augen, ist klar ersichtlich, worunter die Kinder gegenwärtig zu leiden haben. Soziale Distanz bedeutet wichtige Bezugspersonen unter Umständen wochen- und monatelang nicht mehr zu sehen. Für ein kleines Kind kommt das einem Verlust gleicht. Zudem werden massive Schuldgefühle gemacht indem davon gesprochen wird, dass Kinder ihre Großeltern, so sie zu einer Risikogruppe gehören, gefährden und zu deren Tod beitragen können. Abstandhalten und Maskenpflicht sehe ich als offensichtliche Ausgrenzungen an und zählen somit als Alltagskränkungen. Das Desinfizieren hingegen muss nicht vordergründlich traumatisch sein, aber hat zumindest das Potenzial, zwanghaft zu sein, wenn sich Kinder täglich bis zu sechs Mal und mehr die Hände desinfizieren müssen.

Großmutter und Enkelin - leider nicht mehr so selbstverständlich und möglicher Grund für eine Traumatisierung.
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Welche Schutzfaktoren gibt es?

Als erstes sei hier die Persönlichkeit des Kindes angesprochen. Jedes Kind ist individuell und dem entsprechend verfügt es über unterschiedliche Widerstandskraft. Günstige Dispositionen sind jedenfalls ein positives Temperament, eine gute Konstitution und ausreichende Intelligenz. Dann natürlich die „eigentlichen“ Resilienz-Faktoren. Dazu zählen ein positives Selbstbild, Selbstwirksamkeits-Überzeugung und eine optimistische Grundhaltung. Diese drei Umstände können wesentlich vom Elternhaus und den Bezugspersonen unterstützt werden. Schließlich gibt es auch noch so genannte umgebungsbezogene Faktoren. Dazu zählt die sicher emotionale Bindung zu einer Bezugsperson. Weiter ein positives Rollenmodell und das Erleben emotionaler Unterstützung. Auch diese drei Faktoren liegen in der Kontrolle und Verantwortung der Eltern und Erziehungsberechtigten.

Gemeinsame Unternehmungen fördern die Resilienz der Kinder und wirken einer Traumatisierung durch die Schule entgegen.
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Das Konzept des sicheren Ortes.

Luise Reddemann, eine deutsche Fachärztin für Psychiatrie und Psychoanalytikerin ist führend in der Trauma-Forschung im deutschsprachigen Raum. Unter anderem hat sie die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) begründet. Von ihr stammt auch das Konzept des sicheren Ortes. Kurz gesagt brauchen traumatisierte Kinder einen Ort, wo sie sich sicher, geborgen, geliebt und anerkannt fühlen. Dadurch wird es dem Kind möglich, sich auch innerlich, sprich psychisch wieder sicher, geborgen, geliebt und anerkannt zu fühlen. Es ist dann nicht mehr in ständiger Erwartung weiterer traumatischer Erlebnisse. Der Stress lässt nach und es kehrt wieder mehr Ruhe und Stabilität ins Leben ein.

Kindergarten und Schule als sicherer Ort?

Kindergarten und Schule gelten gemeinhin als solche sicheren Orte. Weil der Kindergarten- bzw. Schulbesuch Struktur und Stabilität in den Alltag bringen. Zudem sind die Pädagogen für die Kinder oft wichtige Bezugspersonen. Das fatale in der Krise jedoch ist, dass dieser vermeintlich sichere Ort nun zu dem Unsicherheitsfaktor schlechthin mutiert ist. Was hier politisch in den letzten Monaten regelrecht verbrochen wurde, ist unglaublich. Umso mehr, als man sich als Bürger in dem Glauben wiegt, es seien Profis am Werk. Man darf doch von einem hochbezahlten Minister verlangen, dass er sein Fach beherrscht oder zumindest professionelle, fachkundige Berater hat. Offensichtlich scheint das nicht der Fall gewesen zu sein.

Opfert man die psychische Gesundheit der Kinder für fragwürdige Maßnahmen?

Eine zugegebener Maßen durchaus provokante Frage. Aber meines Erachtens auf Grund der Besorgnis erregenden psychischen Gesundheit vieler Kinder mehr als berechtigt. Vor allem auch deshalb, weil über die Maßnahmen in der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft keine Einstimmigkeit herrscht. Das wird zwar von den Medien mitunter so dargestellt, trifft aber nicht zu. Es gibt zahlreiche Stimmen renommierter Wissenschaftler, die durchaus zu anderen Ansichten gekommen sind. Außerdem gibt es auch Länder, die andere Wege zur Bekämpfung der Pandemie gegangen sind.

Nicht weg schauen!

Das Wichtigste, das Eltern machen können ist nicht weg zu schauen. Nehmen sie die Ängste ihrer Kinder ernst und achten sie auf Symptome wie Schlafprobleme und Schuld- und Schamgefühle. Begegnen sie ihrem Kind mit viel Liebe und geben sie ihm emotionale Sicherheit. Loben sie es, wenn angebracht und stärken sie ihr Kind in seinem Selbstwert und Selbstvertrauen. Schenken sie ihm ausreichend Anerkennung und machen sie gemeinsame Unternehmungen, Ausflüge und Sonntagsspaziergänge wieder zu einer Familientradition. Suchen sie Rat bei Familien- und Erziehungsberatung, nehmen sie die Dienste von psychologischen Beratungen in Anspruch. Und abschließend nochmals: Schauen sie nicht weg!

Mutter und Kind beim gemeinsamen Kuchenbacken. Gemeinsame Erlebnisse geben den Kindern Selbstwert und Selbstvertrauen und stärken die Resilienz. So kann einer Traumatisierung durch Schule entgegengewirkt werden.
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Ich wünsche ihnen allen, einen guten und gelungenen Schulbeginn!

Ihre Karin Ohrner

Ihre Karin Ohrner

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